Die Lösung des Problems ist das Problem der Lösung

Was tun, wenn es in Coaching und Beratung nicht weitergeht?

Wer in Coaching, Beratung und Psychotherapie unterwegs ist, kennt die Situation: Gespräche verlaufen zäh, drehen sich im Kreise und man hat das Gefühl, aneinander vorbeizureden. Nichts geht mehr, Lösungen kommen nicht zu Stande oder werden nicht umgesetzt, Widerstand macht sich breit. Als Coach ist man versucht, den Einsatz zu erhöhen, Vorschläge zu machen  und, wenn das nicht hilft, den Klienten oder die Klientin insgeheim als beratungsresistent zu etikettieren. Wenn sich diese Effekte summieren und der Beratungsprozess immer zäher verläuft, geht über kurz oder lang beim Klienten und beim Coach die Motivation verloren.

Manfred Prior, Leiter des Milton Erickson-Instituts Frankfurt (in Kriftel) meint, dass das häufigste Problem darin bestehe, das der Berater unbedingt will, dass der Klient sich entscheidet. Als Berater soll man sich vielmehr allparteilich gegenüber den Entscheidungsalternativen des Klienten verhalten: sich nicht zu entscheiden, kann eine gute Entscheidung sein (Seminar "Arbeitstechniken im Umgang mit Ambivalenzen" am 03.- 04.03.2006).

"Don't work harder than the client" hat der amerikanische Psychiater, Psychologe und Hypnotherapeut Milton H. Erickson (1901-1980) empfohlen. Spätestens dann, wenn der Coachingprozess den Coach anstrengt und er mit Beklemmungen an die nächste Sitzung denkt, ist es höchste Zeit, die Strategie zu ändern.

Ulrich Clement hat dem Thema Stagnation auf der Fachtagung "Paare, Paarungen, Paartherapie", die am 06.- 08.10.2011 in Heidelberg stattfand, einen Workshop gewidmet. Die Erkenntnisse daraus sind auch für Beratungsprozesse außerhalb der Paartherapie hilfreich.                            

Mit einer Lösung kann aus Sicht des Klienten ein Nachteil verbunden sein und mit der Beibehaltung des Problems ein Vorteil (Sekundärer Gewinn). Z.B. lenken Probleme im Unternehmen möglicherweise von viel größer erscheinenden Schwierigkeiten in der Familie ab oder umgekehrt. Außerdem: das was man kennt, mag nicht besonders komfortabel sein, aber wer weiß denn, welche Risiken mit einer Veränderung verbunden sind? Vor diesem Hintergrund ist das Zaudern des Klienten sinnvoll.

Wie geht man nun als Coach und Berater mit solchen sogenannten Ambivalenzen um? Hier einige Tipps:

  • Die Stagnation als willkommenes Signal für einen Strategiewechsel betrachten, ansprechen und in den Beratungsprozess integrieren ("Ich habe den Eindruck, im Moment stockt es. Wie sehen Sie das?" und/oder ".....welche Frage haben Sie denn an mich?")
  • Wahrgenommene Skepsis gegenüber vorschnellen Lösungen ansprechen und würdigen ("Sie scheinen skeptisch zu sein. Für mich ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass etwas Wichtiges zu kurz gekommen ist...")
  • Klärungshilfe anbieten, wenn die Entscheidungsalternativen verschwommen sind (Paraphrasieren und konstruktive W-Fragen)
  • Bei zaudernden Äußerungen wie "Eigentlich müsste ich das ja tun, aber..." fragen: "Und was wollen Sie?"
  • Nach Bedenken, Problemvorteilen, Lösungsnachteilen und guten Gründen fragen ("Was spräche dafür/dagegen, etwas zu verändern?", "Welche Auswirkungen hätte es, XY zu verändern/alles so zu lassen, wie es ist?")
  • Bewusst Tempo herausnehmen ("Ich glaube, es ist momentan viel zu früh, eine Entscheidung zu treffen. Möglicherweise ist es sinnvoll, sich noch Zeit zu lassen....")
  • Ein "Teilemodell" einführen ("Ein Teil, oder eine Seite von Ihnen scheint nicht einverstanden zu sein. Was könnte der Grund dafür sein?", "Was müsste (für den Teil) sichergestellt sein, um eine Entscheidung X zu treffen?")
  • Mal die auf die eine Seite (des Nicht-Entscheidens), mal auf die Seite der Entscheidung für eine Alternative stellen, ruhig provokativ und drastifizierend
  • Aus einem "Entweder/Oder" ein "Sowohl als auch" machen, wie z.B. bei Trennung oder Zusammenbleiben einen befristeten Versuch vorschlagen ("Und Sie wollen nicht einmal ausprobieren, wie es ist, sich einmal für eine begrenzte Zeit zu trennen? Sie können ja jederzeit abbrechen".)
  • Die Situation stets zum Anlass nehmen, Auftrag, Ziel, Rollenverteilung und Kontakt zum Klienten zu überprüfen

Christopher Rauen hat im "Coaching Newsletter 2012-03 und 2012-04" (http://www.coaching-newsletter.de/) eine Reihe von Punkten benannt, die ursächlich für Stagnation in der Beratung sein können. Hierauf möchten wir ausdrücklich hinweisen.

Supervision und kollegiale Beratung bieten wertvolle Tipps zum methodischen Vorgehen. Zudem bekommt man Klarheit über hemmende Einflüsse, die im eigenen Verhalten und der eigenen Person verborgen sind.

Bereits in der Phase der Auftragsklärung gibt es Hinweise auf Ambivalenzen. Neben der Wahrnehmung nichtverbaler- körpersprachlicher Äußerungen lohnt es sich, Klienten früh nach dem Grad der Zuversicht oder der Überzeugung, das Problem in den Griff zu kriegen, (zwischen 0 und 100 %) zu befragen. Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer empfehlen: "Frage also dich selbst und vor allem dein Gegenüber, wie viel Veränderungsbereitschaft und Commitment er oder sie (oder das Team) für die angestrebte Lösung zu investieren bereit ist (Skalierungsfrage von 0 -100%). Akzeptiere keine Zahl unter 80%, gib dann wertschätzend den Auftrag zurück oder arbeite an der Motivation." (Arist von Schlippe/Jochen Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I, Göttingen 2012, Seite 248)